BIKE BILD hat 11 aktuelle All-Terrain-E-Bikes unter die Lupe genommen und beim Prüfungsinstitut Dekra Daten zu u. a. Reichweite, Unterstützungsfaktor und Bremsleistung erhoben. Die Ergebnisse zeigen ein hohes Maß an Qualität im Testfeld. Preislich startet das heterogene Testfeld bei 2.799 Euro, maximal kommen für ein E-Trekkingbike mit Premium-Ausstattung mit Riemenantrieb 7.599 Euro zusammen. Das teuerste Modell, das Riese & Müller Supercharger2 GT, den Testsieg souverän einfahren. Für Radler mit einem kleineren Budget könnte das Victoria eAdventure 8.9 in Frage kommen. Das E-Trekkingbike für 3.499 Euro wurde im großen Vergleichstest zum Preis-Leistungs-Sieger gekürt.
Die ausführlichen Einzeltestberichte und eine Übersicht aller getesteten E-Trekkingbikes, auch neuerdings als All-Terrain-Bikes (kurz: ATB oder E-ATB) bezeichnet, finden Sie weiter unten.

All-Terrain-Bikes (ATB) – eine neue Fahrradklasse

Die Ironie an der Sache ist: Das SUV-Prinzip schlägt nun auch immer mehr aufs Fahrrad durch. Kurze Erinnerung, SUV ist im Automotivbereich die Abkürzung für Sport Utility Vehicle, darunter fallen jene hoch aufbauenden und breit designten Stadtgeländewagen, die von Kritikern als PS-starke Boliden für Besserverdiener verschmäht werden. Der SUV der Fahrradwelt ist das All-Terrain-E-Bike, wir nennen es ATB.
Diese um genau zu sein All-Terrain-Pedelecs sind, wenn man so will, alltagstaugliche E-Trekkingräder mit offenkundigen Anleihen aus der Mountainbikewelt. Tatsächlich kann man das bei der Betrachtung von außen nicht immer genau sagen. Werfen wir daher einen Blick auf unser Testfeld.

Zwischen Mountain- und Trekkingbike: All-Terrain-Pedelecs

Der Schweizer Hersteller Flyer schickt ein Quasi-Hardtail mit MTB-verdächtigen 120 Millimeter Federweg ins Rennen. Der Hamburger Fahrradbauer Bergamont ein All-Terrain-Pedelec mit Vollfederung. Andere Hersteller, Stevens und Centurion, begnügen sich indes mit 63 Millimeter Federweg und lassen ihre Pedelecs auf profilarmen, aber flotten Reifen anrollen.
Riese & Müller, so betiteln wir den Supercharger im Testbrief, schickt den „Futuristen unter den SUV“ ins Rennen, ein Schwergewicht der Spitzenklasse (nicht nur preislich) mit beeindruckender Rohloff-Nabenschaltung, die – kein Scherz – im Stand automatisch in den fünften Gang schaltet – als Anfahrthilfe sozusagen.
Die Modelle von Scott, Merida und Victoria siedeln sich gewissermaßen dazwischen an. Mit großer Spannung haben wir das erste E-Trekkingrad von Canyon erwartet. Man tritt dem Versender sicher nicht zu nahe, wenn man sagt, dass Trekking nicht zur Kernkompetenz der Koblenzer zählt. Spoiler: Ab sofort muss es „zählte“ heißen.

Ratgeber und Service: Das müssen Sie über All-Terrain-Pedelecs wissen

11 All-Terrain-Pedelecs im Test – Übersicht

11 All-Terrain-Pedelecs im Test – Übersicht
Platz 1 (Testsieger)
Riese & Müller Supercharger2 GT
7.599,00 €
32/35
sehr gut
Zum Test
Platz 2
Canyon Pathlite:ON 8.0
4.399,00 €
30/35
sehr gut
Zum Test
Platz 3
Flyer Goroc1 6.50
4.399,00 €
30/35
sehr gut
Zum Test
Platz 4
Scott Axis eRide 10
4.199,00 €
29/35
sehr gut
Zum Test
Platz 5
Bergamont E-Horizon FS Expert 600
4.499,00 €
28,5/35
sehr gut
Zum Test
Platz 5
Centurion E-Fire Tour R2600i
3.799,00 €
28,5/35
sehr gut
Zum Test
Platz 5 (Preis-Leistungs-Sieger)
Victoria eAdventure 8.9
3.499,00 €
28,5/35
sehr gut
Zum Test
Platz 8
Merida eBig.Tour 500 EQ
3.699,00 €
28/35
gut
Zum Test
Platz 9
Stevens E-8X Tour
3.599,00 €
27,5/35
gut
Zum Test
Außer Wertung
Cube Cross Hybrid Pro 625
2.799,00 €
-
ohne Wertung*
Zum Test
Außer Wertung
Kalkhoff Endeavour 7.B. Advance
4.499,00 €
-
ohne Wertung*
Zum Test

11 All-Terrain-Pedelecs im Test – Übersicht

Ausgewählte Produkte in tabellarischer Übersicht
1.
Testsieger
Riese & Müller Supercharger2 GT
sehr gut
Zum Angebot
2.
Canyon Pathlite:ON 8.0
sehr gut
Zum Angebot
3.
Flyer Goroc1 6.50
sehr gut
Zum Angebot
4.
Scott Axis eRide 10
sehr gut
Zum Angebot
5.
Bergamont E-Horizon FS Expert 600
sehr gut
Zum Angebot
5.
Centurion E-Fire Tour R2600i
sehr gut
Zum Angebot
5.
Preis-Leistungs-Sieger
Victoria eAdventure 8.9
sehr gut
Zum Angebot
8.
Merida eBig.Tour 500 EQ
gut
Zum Angebot
9.
Stevens E-8X Tour
gut
Zum Angebot
Außer Wertung.
Cube Cross Hybrid Pro 625
ohne Wertung*
Zum Angebot
Außer Wertung.
Kalkhoff Endeavour 7.B. Advance
ohne Wertung*
Zum Angebot

*Wichtiger Hinweis

Dieser E-Bike-Test wurde während der Coronakrise produziert. Das Virus hatte zwar keine Auswirkungen auf das Prüfverfahren, Testfahrten und Produktion. Allerdings haben es nicht alle Räder rechtzeitig ins Dekra-Testlabor geschafft, sodass wir zwei Räder, namentlich das Cube Cross Hybrid und Kalkhoff Endeavour 7.B. Advance, nachreichen müssen. Unsere Fahreindrücke und die technischen Daten der Bikes finden Sie unter dem jeweiligen Link in der Übersicht.

So haben wir die All-Terrain-Pedelecs getestet

Neuer Testpartner: DEKRA
BIKE BILD arbeitet fortan mit dem renommierten Test- und Prüfinstitut DEKRA zusammen. DEKRA ist eine 1925 gegründete Prüfgesellschaft mit mehr als 45000 Mitarbeitern und genießt weltweit sehr hohes Ansehen. Mit Wurzeln im Automotivbereich verstärkt der Prüfkonzern sein Engagement aktuell im Bereich von motorisierten Zweirädern und Fahrzeugen. Hierzu zählt neben der Prüfung nach der einschlägigen Maschinenrichtlinie auch die Prüfung nach nationalen und europäischen Normen.
Wir freuen uns, die DEKRA als Testpartner für unsere umfangreichen E-Bike-Tests gewonnen zu haben. So können Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, einmal mehr und insbesondere auf verlässliche Qualitätsprüfungen freuen.
Die Testkriterien
Die Testkriterien haben wir durch den Wechsel zur DEKRA nicht verändert. Weiterhin baut unser großer E-Bike-Test zweistufig auf. Im Labor lassen wir von den Experten Reichweite, Unterstützungsfaktor (U-Faktor) und die Standfestigkeit (Stresstest) des Motors ermitteln. Im Rahmen des Reichweitentests kombinieren wir Fahrten in der Ebene mit solchen bergauf, um ein realistisches Gesamtbild zu zeichnen. Der U-Faktor gibt dabei an, mit welchem Faktor der Motor die Leistung des Fahrers an einer Steigung von sechs Prozent multipliziert.
Hier sehen Sie ein Testrad auf dem Reichweitenprüfstand. Der Test ist gewichtsneutral, das heißt, es wird immer bis 100 Kilogramm Systemgewicht aufgelastet.
Bild: DEKRA

Zusätzlich bestimmen wir die Bremsleistung bei Trockenheit (zwei Drittel) und Nässe (ein Drittel). Alle von uns getesteten Räder erreichten die volle Punktzahl. Bei blockierenden Bremsen auf dem Bremsprüfstand – die Norm wurde längst überschritten – wurde die Höchstbepunktung vergeben.
Anschließend folgt Teil zwei der Prüfung, der Praxistest. Wir fahren die Räder auf unterschiedlichen Untergründen Probe. Hieraus ergibt sich die Bewertung für Fahrspaß. Bei den All Terrain Bikes lag der Fokus auf Beherrschbarkeit und Komfort auf Asphalt, Feldwegen und im Gelände. Häufig heiß diskutiert ist die Bewertung des Designs. Redakteure und Außenstehende vergeben Noten für Integration, technische Raffinesse und Gesamteindruck. In Ausstattung bewerten wir die verbauten Komponenten und Anbauteile sowie die allgemeine Ausstattung (Licht, Gepäckträger o. Ä.).
Die Noten ergeben sich wie folgt:
  ●  35–28,5 = sehr gut 28–21,5 = gut 21–14,5 = befriedigend 14–8,5= ausreichend 8–0 = mangelhaft
  ●  Preis-Leistungs-Sieger wird, wer wenigstens „gut“ abschneidet und den niedrigsten Preis pro Stern erzielt.

Die wichtigsten Fragen zum Thema All-Terrain-Pedelecs

Die meisten Testbikes vertrauen auf den Bosch-Perfomance-Line-CX-Antrieb.
Bild: Daniel Geiger

Kraftprotze unter sich: Wie unterscheiden sich die Motoren der getesteten Modelle?

Neben dem Canyon rollten sechs weitere Räder mit Boschs Highendmotor Performance CX an. Moment mal, Performance CX, ist das nicht das Herz vieler E-MTB? 75 Newtonmeter Drehmoment, leicht und kompakt, mit bis zu 340 Prozent Unterstützung. Richtig, Leistung und Kraft satt, in der vierten Generation sensibel und perfekt abgestimmt, kein reines Leistungsmonster mehr. Auf diese Motorcharakteristik setzt das Gros der Hersteller, ein Drittel füttert den Antrieb mit zwei Bosch-Akkus, die 1.000 Wattstunden Kapazität und mehr bieten.
Dass Shimano in der Fahrradwelt in der Minderheit ist, kommt nicht oft vor. Hier schon. Nur zwei Bikes kommen mit Mittelmotoren vom Komponentenriesen daher. Merida gar mit der abgespeckten Variante, dem Steps E7000, der sich laut Hersteller an „freizeitorientierte Mountainbiker“ richtet.
Ohne Zweifel empfinden wir die Leistung in der Praxis als ausreichend, denn machen wir uns nichts vor: Wer durchs bergige (Downhill-)Gehölz jagen will, kauft sich ohnehin ein E-MTB und kein All Terrain Bike. Der große Bruder des Steps E7000, Shimanos Spitzenmodell E8000, der im All-Terrain-Pedelec von Victoria verbaut ist, liefert den höchsten Unterstützungsfaktor im Testumfeld.

Wichtige Merkmale von All-Terrain-E-Bikes

Viel Federweg
Federgabeln kommen aus dem Mountainbikebereich. Komfort ist der eine Vorteil: Je länger der Federweg, desto mehr Unebenheiten kann die Gabeln absorbieren. In Kombination mit breiten Reifen rollt es sich deutlich entspannter. Der andere ist Sicherheit: Geht es mal ruppig zu, bleibt der Reifen am Boden kleben. Federgabeln gehören somit zur Pflichtausstattung an E-SUV-Bikes.
Breite Reifen
Ein wichtiges Merkmal am Rad, häufig unterschätzt, ist die Reifenwahl. Breite, teilweise mit Stollen versehende Pneus machen aus einem E-Trekkingrad erst ein echtes E-SUV-Bikes. Unter 50 Millimetern geht fast nichts mehr; Bikes mit Mountainbike-Genen rollen auf 27,5-Zöllern an. Im Gelände ist Profil Trumpf, kann auf Asphalt wegen der Lautstärke aber auch nerven.
Starke Antriebe
Bei E-SUV-Bikes kommen fast immer die stärksten Antriebe der Hersteller zum Einsatz. Bei Bosch leistet der Performance Line CX satte 85 Newtonmeter. Shimanos EP8 steht dem Stuttgarter Aggregat in nichts nach. Panasonic legt noch eins drauf und spendiert mit dem GX-Antrieb satte 95 Newtonmeter. Die leistungsstarken Motoren sorgen auch im welligen und bergigen Terrain für Vortrieb.

Wie alltagstauglich sind die All-Terrain-Pedelecs?

Für ein All-Terrain-E-Bike ist eine Gabel mit viel Federweg nötig.
Bild: Daniel Geiger

An fast allen Bikes mit Ausnahme des Supercharger von Riese & Müller sind Kettenschaltungen mit elf oder zwölf Gängen verbaut. Damit dürfte man selbst dann auf der sicheren Seite sein, wenn der Akku leer gefahren ist oder Anstiege mit zweistelligen Prozentangaben winken.
Häufiger als das kleine Ritzel dürften Schutzblech, Lichtanlage und Gepäckträger zum Einsatz kommen. Radler, die ein ATB zum Pendeln oder als Alltagsrad nutzen, haben die freie Wahl – jedes unserer Testräder rollt pendlergerecht vom Band.

Breite Reifen machen den Unterschied

Die Reifenbreite bei den getesteten All-Terrain-Pedelecs bewegt sich zwischen 50 und 60 Millimeter.
Bild: Daniel Geiger

Wann wird aus einem Trekkingrad ein ATB? Den größten Unterschied beim Fahren macht der Reifen. Die Bikes von Centurion und Stevens fuhren auf ihren profilarmen Tourenreifen mit „nur“ 50 Millimeter Breite merklich sportlicher und direkter. Und, das nur am Rande: Stollenreifen produzieren auf Asphalt einen lauten Sound.
Ganz anders ist die Sachlage, wenn man die Straße verlässt. Profil, Breite, Stollen sind jetzt Trumpf. Je offroadiger der Untergrund wird, desto wichtiger wird das Reifenprofil für Grip im Gelände. 27,5-Zöller sind jetzt das i-Tüpfelchen und bieten Mountainbike-Qualitäten am Trekkingrad.

Gehört All-Terrain-Pedelecs die Zukunft?

Kommen wir zum SUV-ATB-Vergleich vom Anfang zurück. Der hinkt nämlich an einer Stelle recht beharrlich: Alle getesteten All-Terrain-Pedelecs wirken wuchtiger, als sie im Vergleich zu herkömmlichen Pendlerrädern oder Trekkingbikes tatsächlich sind. Das, was aus einem E-Trekkingrad ein All-Terrain-Pedelec zaubert, ist zum Großteil auf die Bereifung zurückzuführen und zeigt sich in natura am besten im Wie-auf-Wolken-Fahrgefühl. Der kräftige Mittelmotor, der ohnehin ab etwa 25 km/h abriegelt, ist weitestgehend Beiwerk.
Dennoch glauben wir, dass den All-Terrain-E-Trekkingbikes die Zukunft gehören. Auch wenn die Unterschiede zu herkömmlichen E-Trekkingbikes, wie wir sie kennen, eher marginaler Natur sind, so sind die Auswirkungen von breiten Reifen, solidem Federweg und anzugsstarken Motoren insbesondere aufs Fahrverhalten nicht zu vernachlässigen. Radler erkaufen sich mit modernen E-ATBs nicht nur mehr Freiheiten auf ihren Touren; so können auch mal abseits asphaltierter Wege ein paar Kilometer abgespult werden.
Nein, der allergrößte Unterschied macht sich erst im Vergleich so richtig bemerkbar: E-ATBs sind unterm Strich um einiges komfortabler als herkömmliche E-Trekkingbikes – und passen daher sehr gut in den Zeitgeist. Der Trend geht nämlich ohnehin in Richtung Komfort-Fahrrad. E-ATBs bieten den aktuell großmöglichsten Kompromiss auf dem Fahrradmarkt, sind alltagstauglich und für den gelegentlichen Offroad-Einsatz geeignet. Mehr geht nicht – probieren Sie es aus!

Fazit

von

BIKE BILD
All-Terrain-Pedelecs sind alltagstaugliche Hybride, teilweise hochgezüchtet, um vor keinem Untergrund oder Terrain zu kapitulieren. Die elektrische Zweirad-Allzweckwaffe für Menschen, die der Freiheit frönen wollen, alles tun zu können – aber es nicht zu müssen. Ein Segen, dass man als Radler die Wildcard in der Tasche hat, ganze Wälder, Parkwege und ferne Flussufer zu erkunden. Ein ATB bringt Sie sicher wieder zurück – und vielleicht am nächsten Tag zur Arbeit.