Über Gewicht wird ungern gesprochen. Wir müssen es an dieser Stelle trotz dem tun, aus gutem Grund. Vielen Radlern ist nicht bewusst, dass sie ihre Räder überladen, was nachvollziehbar ist, denn die robuste Bauweise der meisten E-Bikes lässt das Gegenteil vermuten. Stellen wir uns einen 85 Kilogramm schweren Mann vor, der auf einem E-Bike sitzt, das 30 Kilogramm wiegt, worauf er seinen 15 Kilogramm schweren Einkauf in Packtaschen und Rucksack transportiert. Das Systemgewicht (Summe aus Fahrrad und Zuladung) läge – exklusive Packtaschen und Kleidung – bereits bei 130 Kilogramm.
Tatsächlich sind die meisten Pedelecs nur bis 120 Kilogramm ausgelegt. Darüber erlischt ihre Betriebserlaubnis, weil Lenk- und Steuerverhalten wegen des Übergepäcks stark leiden und, im schlimmsten Fall, auch der Rahmen brechen kann. Viele Radfahrer wissen und merken nichts von diesen Gefahren.

Verkäufer muss über das zulässige Gesamtgewicht aufklären

Das Bonner Landgericht hat indes schon in einem Urteil von 2013 die Händler in die Pflicht genommen. Der Entscheidung war eine Klage eines 110 Kilogramm schweren Radfahrers vorausgegangen, dem ein Rad verkauft wurde, das mit ihm darauf das zulässige Gesamtgewicht um 15 Kilogramm überschritt. Der Käufer klagte über instabiles Fahrverhalten auf abschüssigen Strecken und wollte das E-Bike zurückgeben, doch der Fachhändler weigerte sich.
Die Richter erkannten schlussendlich: Der Verkäufer muss den Kunden über das zulässige Gesamtgewicht aufklären. Versäumt er dies, ist er verpflichtet, das Pedelec zurückzunehmen.
Mit einer potenziellen Zuladung von 164 Kilogramm gehört das Tern GSD (links) zu den stärksten Transporteuren im Test.
Bild: S. Heinrichs
Viele Radhersteller verhalten sich beim Thema Zuladung weiter passiv – und weisen die zulässige Gesamtmasse nur im Kleingedruckten der Bedienungsanleitung aus. Ernst Brust, öffentlich bestellter Sachverständiger, nimmt die Hersteller in Schutz: „Viele prüfen eben nach der Europanorm EN 15194 und glauben, damit alles erledigt zu haben. Diese gilt indes nur bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 100 Kilogramm – ist also in einigen Bereichen ungenügend auf realistisch auftretende Überlastungen von Pedelecs ausgelegt.“

Beschäftigen Sie sich unbedingt mit der potenziellen Zuladung!

Wir konnten es auch nicht recht glauben, aber man wundert sich, wie schnell das zulässige Gesamtgewicht erreicht ist. Unternehmen Sie den Selbstversuch, und wiegen Sie Ihren Einkauf: 10, 15 oder gar 20 Kilogramm kommen im Handumdrehen zusammen.
Bild: S. Heinrichs
Keine Panik, in der Regel rechnen Radhersteller bei ihren Rahmenkonstruktionen Reserven ein, um Schäden durch eine drohende Materialermüdung vorzubeugen. Moderne Rahmen von E-Bikes, sagt Brust, sollen für eine Nutzungsdauer von zehn Jahren ausgelegt sein, durch eine intensive Nutzung oder ständige Überladung des Bikes kann sich dieser Wert natürlich verringern.
Aber auch das gehört zur Wahrheit: Kunden legen den Fokus bei Alltags-E-Bikes auf Motor und Akku, Design und Verarbeitung – Attraktivität und Performance sind die reizvolleren Kaufgründe. Unsere Empfehlung jedoch: Beschäftigen Sie sich mit dem zulässigen Gesamtgewicht und der potenziellen Zuladung Ihres Pedelecs, und nicht nur dann, wenn Sie es als Transportrad nutzen. Haken Sie beim Händler oder Hersteller unbedingt nach.
In diesem Test finden Sie Pedelecs ab einer Zuladung (!) von 120 Kilogramm. Damit sollte das Gros der Radfahrer auf der sicheren Seite sein. So blieben bei einem Fahrergewicht inklusive Kleidung von 90 Kilogramm immer noch 30 Kilogramm für Gepäck, Einkauf und Co.

Alle Räder im Einzeltest

Alle Räder im Einzeltest
Utopia Kranich Pedelec
4.024 Euro
gut
Flyer TX
4.999 Euro
gut
Elby 9 Speed
3.299 Euro
gut
Tern GSD
3.999 Euro
gut
QWIC Performance MN380
3.899 Euro
gut
Brinckers Granville M330
3.199 Euro
gut
Klever Q Comfort Power
3.199 Euro
gut
Gobax Get2 S Plus
4.100 Euro
befriedigend
Prophete Navigator Caravan
1.999 Euro
befriedigend
Llobe Adore Versailles
899 Euro
ausreichend

So haben wir die E-Bikes mit hoher Zuladung getestet

Das Hauptaugenmerk des Labortests lag auf dem Motor – wie sollte es bei E-Bikes anders sein? Von besonderem Interesse war der Unterstützungsfaktor (U-Faktor) Berg, der eine hohe Spitzenlast darstellt, vergleichbar mit hoher Beladung. Bei der Reichweite haben wir den Durchschnitt aus Berg (Beladung) und Tour (leichte Beladung, wechselndes Terrain) gewählt, um ein möglichst authentisches und abwechslungsreiches Nutzungs- und Fahrverhalten abzubilden.
Buntes Testfeld: vom Lasten- bis zum Kompaktrad haben wir Räder mit hoher Zuladung getestet.
Bild: S. Heinrichs
Im Prüfpunkt Ausstattung sind zu je einem Drittel die Qualität der Radkomponenten, die Zuverlässigkeit des Antriebs sowie die Standfestigkeit beim Abstellen eingeflossen. Auch hier haben wir aufs Nutzungsverhalten abgestellt. Da der E-Antrieb bei hoher Zuladung besonders beansprucht wird, muss der Motor zuverlässig arbeiten – ein zu schneller Verschleiß oder gar Defekt wäre äußerst ärgerlich. Die Kategorie Fahrspaß setzt sich – wieder zu je einem Drittel – aus Bedienkomfort, Geschwindigkeit in der Stadt und Fahreigenschaften mit Motor zusammen.
Dadurch konnten wir am Ende die klassischen E-Bike-Kriterien (Akkukosten, Antriebsgeräusche) mit den spezifischen Anforderungen an ein XXL-Bike (U-Faktor Berg, Reichweite, Zuverlässigkeit Antrieb) in einem sinnvollen Verhältnis abbilden. Neben den Messdaten von ExtraEnergy haben wir in unseren Testbriefen auch das Feedback der Testfahrer einfließen lassen.