Ein Herzinfarkt brachte Klaus Kähler im Alter von 49 Jahren aufs S-Pedelec. Zuvor hatte der IT-Fachmann aus dem Oldenburger Umland seine Berufswege im Auto zurückgelegt. Erst als ihm die Ärzte dann mehr Bewegung verordneten, krempelte er jenen Teil seines Lebens um.
Er verkaufte sein Auto und investierte knapp sechstausend Euro in ein Schweizer S-Pedelec. Kennzeichen- und Helmpflicht, Radwegverbot und Mitnahmeverbot in Zügen schreckten ihn nicht ab. „Ich wollte ein Rad, das mir Spaß macht, sogar für technischen Schnickschnack wie Diebstahlsperre war ich empfänglich.“
Heute ist das S-Pedelec zu seinem Mobilitätsmittelpunkt geworden, über 25.000 Kilometer sind durch Arbeitsweg, Einkäufe und Dienstfahrten in fünf Jahren zusammengekommen. Zudem ist er nun Beta-Tester. Als solcher fährt er Software-Updates Probe. „Ich mache Touren, die ich mir nie vorstellen konnte, zuletzt umrundete ich den Bodensee in vier Tagen.“ Seine Ärzte sind mit seiner Fitness zufrieden. Nächstes Jahr reist Klaus Kähler von Hamburg in die Fahrradstadt Kopenhagen. Dort dürfte er sogar den Radweg mit seinem Bike benutzen.

Alle S-Pedelecs im Einzeltest

Alle S-Pedelecs im Einzeltest
M1 Sterzing Evolution GT
sehr gut
7.948 Euro
Diamant Zouma Supreme+ S
sehr gut
6.499 Euro
Riese & Müller Superdelite GT
sehr gut
8.748 Euro
Specialized Turbo Vado 6.0
gut
4.799 Euro
Stromer ST3
sehr gut
6.499 Euro

Wo fahren mit den extraschnellen E-Bikes?

Das sieht hierzulande anders aus, es gelten strenge Regeln für S-Pedelecs wie seins. Das Gesetz fordert: Wer ein S-Pedelec führt, muss auf die Fahrbahn, auch außerorts. Diese Beschränkung mag für Menschen wie Klaus Kähler ein Ärgernis sein. Ein Blick auf die Leistungsdaten zeigt jedoch, warum der Gesetzgeber so restriktiv ist. Während Pedelecs, die bis 25 km/h unterstützen, auf 250 Watt Nennleistung gedeckelt sind, spielt das Speed-Bike bis zu vier Kilowatt aus, was weit weg ist vom Menschenmöglichen. Weltklassesprinter drücken – wenn überhaupt – kuzfristig zwei Kilowatt aufs Pedal.
Roland Huhn, Rechtsexperte beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), findet das Radwegeverbot sinnvoll und gibt zu bedenken, dass die Radwege hierzulande ein Szenario mit lauter Hochgeschwindigkeitsrädern nicht zu lassen. Er sähe die Gefahr chaotischer Zustände, die die Gleichstellung von Pedelec und Fahrrad gefährden würden.


Fahrzeugtypen im Vergleich

Fahrzeugtypen im Vergleich
Motor
unterstützt, solange der Fahrer tritt, bis max. 25 km/h
unterstützt, solange der Fahrer tritt, bis max. 45 km/h
unterstützt unabhängig vom Treten, bis max. 25 km/h
Einstufung
Fahrrad
Kraftfahrzeug
Kraftfahrzeug
Führerschein
wird nicht benötigt
Klasse AM
Prüfbescheinigung für Mofas
Sonstige Voraussetzungen
keine
Betriebserlaubnis, Versicherungskenn zeichen, Helmpflicht
Betriebserlaubnis, Versicherungskennzeichen, Helmpflicht
Wo fahren?
überall dort, wo Fahrräder fahren können und müssen
auf der Fahrbahn
grundsätzlich auf der Fahrbahn; außerorts auf Radwegen

So unterscheiden sich die Speed-Bikes in Theorie und Praxis

So viel zur Theorie. Unser Praxistest zeigt ein etwas anderes Bild: Die getesteten Modelle entpuppen sich nicht als hochgezüchtete und schwer beherrschbare Quasi-Motorräder. Sie fahren sich wie Pedelecs – nur dass nicht bei 27 km/h Schluss ist.
Die Bikes von Stromer und M1 ziehen zwar locker bis 45 km/h durch, bei den beiden Testrädern mit Bosch-Speedline-Motor kann wie auch beim Specialized (Brose) nicht mal die Schallmauer von 40 km/h überwunden werden. Roland Huhn stimmen wir in einem Punkt zu: Ab 30 km/h will man – innerorts – nicht auf den Radweg.
Abseits der Hauptstraßen fühlt sich das getestete Modell vom bayrischen Hersteller M1 besonders wohl.
Bild: Ingo Peters

Tomi Viiala, Globaler Verkaufsleiter beim S-Pedelec-Spezialisten Stromer, beobachtet die Märkte für S-Pedelecs seit vielen Jahren intensiv. Sein Resümee fällt ernüchternd aus: „In Deutschland wird das Fahrrad immer noch zu sehr als Freizeitgerät gesehen und nicht als Mobilitätsalternative. Andere europäische Länder wie die Niederlande oder Dänemark sind deutlich weiter.“

So gut wie keine Förderung für S-Pedelecs in Deutschland

Die Zahl der verkauften S-Pedelecs liegt hierzulande bei nur 0,5 Prozent aller Elektrobikes. Ein ganz anderes Bild zeigt sich in der Schweiz – wo man auch den Radweg benutzen darf. Dort entscheiden sich knapp 14 Prozent beim Kauf eines Elektrobikes fürs S-Pedelec.
Aktuell erobern die Speed-Bikes den belgischen E-Bike-Markt, erzählt Tomi Viiali. Der Grund hierfür seien Subventionen. Für jeden zur Arbeitsstelle gefahrenen Kilometer fließen bis zu 23 Cent in die Tasche der Arbeitnehmer. Die Niederlande ziehen aktuell nach: Jede Firma kann ihren Mitarbeitern, die mit einem S-Pedelec zur Arbeit kommen, 19 Cent pro Kilometer – steuerfrei – zahlen.

S-Pedelec-Experiment in Tübingen

Solche flächendeckenden Förderungen sucht man in Deutschland vergebens. Einen mutigen Vorstoß hat jüngst der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer unternommen. Als erste Kommune will Tübingen teilweise die Nutzung von Radwegen freigeben. Das Bundesverkehrsministerium zeigt sich indes wenig begeistert.
Das S-Pedelec hat es schwer in Deutschland. Für den Radweg zu schnell, für die Straße zu langsam und für Autofahrer ein Fremdkörper auf „ihren“ Straßen. Aktuell müssen Halter – obwohl das perfekte Pendlerbike – mit Einschränken fahren.
Im Vergleichstest ließ die Motorunterstützung einiger Modelle ab einer Fahrtgeschwindigkeit von ungefähr 40 km/h stark nach.
Bild: Ingo Peters

Es bleibt abzuwarten, ob in Tübingen das Chaos bei einer Lockerung des Radwegverbots ausbricht. Wenn nicht, könnte man doch zumindest über eine (punktuelle) Freigabe von Radwegen nachdenken, anstatt beim Diskutieren über bessere Radwege weiter Zeit zu vergeuden? Letztlich entschärft jeder Verkehrsteilnehmer, der wie Klaus Kähler aufs Zweirad wechselt, den Verkehrskoller in Ballungsräumen.
Das S-Pedelec kann jedoch nur zur Verkehrswende beitragen, wenn es politisch gewollt ist – bisher ist es das in Deutschland nicht. Traurig, aber wahr.

Interview mit Roland Huhn: „Ein Kraftfahrzeug bleibt ein Kraftfahrzeug“

Roland Huhn ist Rechtsexperte beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). In Interview mit BIKE BILD klärt der erfahrene Jurist über Rechte und Pflichten von S-Pedelec-Fahrern auf.

Roland Huhn ist Rechtsexperte des ADFC.
Bild: ADFC

Wie viel Fahrrad steckt noch in S-Pedelecs?
Rechtlich betrachtet sind S-Pedelecs gerade keine Fahrräder, sondern Kleinkrafträder im Sinne der Klasse L1e-B. Anders als das Pedelec (Unterstützung bis 25 km/h) unterstützt das S-Pedelec bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Der Motor darf maximal vier Kilowatt leisten – aber höchstens das Vierfache der Fahrerleistung zuarbeiten. Dadurch ergeben sich eine Vielzahl von Rechtsfolgen, beispielsweise darf man mit dem S-Pedelec nicht auf Fahrradwegen fahren.
Wo ist das Fahren dieser Bikes erlaubt?
Das S-Pedelec gehört auf die Fahrbahn – nicht auf den Radweg, das gilt sowohl inner- als auch außerorts. Auch Radschnellwege sind für S-Pedelecs tabu, wenn sie nicht für Kraftfahrzeuge freigegeben sind; dasselbe gilt für Wald- und Feldwege. Verboten sind natürlich auch Autobahnen und Kraftfahrtstraßen, hier gilt ohnehin die Richtgeschwindigkeit von 60 km/h. Die Nutzung von Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung ist ebenfalls untersagt.
Angenommen ich schalte die Unterstützung ab – darf ich dann den Radweg benutzen?
Nein, auch dann ist die Benutzung des Radwegs untersagt. Ein Kraftfahrzeug bleibt ein Kraftfahrzeug, auch wenn der Motor ausgeschaltet ist.
Welche Anbauteile sind im Gegensatz zum herkömmlichen Fahrrad beim S-Pedelec Pflicht?
Vorgeschrieben sind Rückspiegel, Seitenreflektoren an der Gabel sowie eine Hupe. Außerdem muss der Seitenständer automatisch einklappbar sein, sollte das Fahrzeug über 35 Kilogramm wiegen. Auch bei der Bereifung ist Obacht geboten: Der Hersteller muss die Reifen freigegeben haben oder die für Reifen entsprechende Zulassung (ECE-R75) besitzen. Übrigens, Blinker, die am Fahrrad nicht erlaubt wären, sind am S-Pedelec zulässig.
Grundsätzlich gilt, dass Hersteller von S-Pedelecs eine EU-Typgenehmigung vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) oder – für einzelne, nicht serienmäßige Fahrzeuge – eine Einzelbetriebserlaubnis (z.B. vom TÜV) brauchen.
Wer ohne Versicherungskennzeichen unterwegs ist und dabei erwischt wird, darf 40 Euro Bußgeld zahlen.
Bild: Ingo Peters

Darf jeder mit einem S-Pedelec fahren?
Das Mindestalter beträgt 16 Jahre (in einigen Bundesländern jetzt 15 Jahre für Kleinkrafträder). Außerdem muss der Fahrzeugführer mindestens im Besitz der Führerschein-Klasse AM sein; ist im Pkw-Führerschein Klasse B enthalten. Beim S-Pedelec besteht im Gegensatz zum herkömmlichen Fahrrad eine Helmpflicht. Über die Frage, was unter einem vom Gesetz geforderten „geeigneten Schutzhelm“ zu verstehen ist, besteht noch Uneinigkeit. Nach strenger Auslegung wäre dies ein Mofa- oder Motorradhelm. Viele S-Pedelec-Fahrer tragen dennoch einen Fahrradhelm.
Muss das Fahrzeug auch versichert sein?
S-Pedelecs benötigen als Kraftfahrzeuge ein Versicherungskennzeichen. Man kann diese Pflichtversicherung, für die Kosten um die 50 Euro im Jahr entstehen, um eine preiswerte Diebstahlversicherung erweitern – übrigens kein schlechter Deal, betrachtet man den hohen Anschaffungspreis von mehreren Tausend Euro.
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen, wenn Radler gegen die genannten vielen Pflichten verstoßen?
Am günstigsten kommt weg, wer als S-Pedelec-Fahrer einen Radweg benutzt oder den Versicherungsschein nicht mit sich führt (10 Euro). Fahren ohne Helm kostet ein Bußgeld von 15 Euro. Wer das Kennzeichen demontiert, muss 40 Euro zahlen. Wer ohne Versicherungsschutz fährt, ist nicht mehr im Bereich der Ordnungswidrigkeiten, sondern begeht eine Straftat.
Wie sieht es mit der staatlichen Förderung aus, fallen S-Pedelecs unter die Dienstrad-Regelung?
Da S-Pedelecs keine Fahrräder im rechtlichen Sinne sind, können sie auch nicht unter die Dienstrad-Regelung fallen. Stattdessen greifen die steuerlichen Vorteile wie beim Dienstwagen.

So hat BIKE BILD die S-Pedelecs getestet

Unser Testverfahren von Pedelecs und S-Pedelecs baut zweistufig auf. Zunächst werden die Räder beim Testinstitut Velotech auf dem Prüfstand untersucht. Im Fokus stehen Bremsleistung und Antrieb. Reichweite und Unterstützungsfaktor waren uns bei S-Pedelecs wichtig, schließlich prädestiniert die starke Motorisierung die Räder für längere Touren und Strecken. Der U-Faktor gibt an, wie stark der Motor unterstützt, wenn man in die Pedale tritt. Beim Uphill-Stresstest und dem Leistungstest werden die Motoren an ihr Limit gebracht.
Alle Elektroräder werden in der Natur von Menschen bewegt, daher fließen die von erfahrenen Testerinnen und Testern gesammelten Fahreindrücke unter Fahrspaß genauso ins Ergebnis ein wie die Design-Bewertung.