Fazit: Das müssen Sie wissen

Mit dem neuen Pro One holt sich Schwalbe die Tubeless-Krone zurück. Das überarbeitete Flaggschiff ist schnell, geschmeidig und lässt sich gut montieren.
Pro
- Geringes Gewicht
- Leichte Montage
- Verschleißarm
- Herausragende Laufeigenschaften
- Sicheres Fahrgefühl
Kontra
- Nicht in 32 mm verfügbar
Mit dem Pro One war Schwalbe seinerzeit Pionier auf dem Gebiet der Tubless-Straßenreifen. Anfang dieses Jahres legte Continental nach und präsentierte nach langer Entwicklungszeit erfolgreich den ersten Tubeless-Rennradreifen (einen umfassenden Testbericht zum Reifen gibt's hier). Auch Continental hat das Potenzial von schlauchlosen Reifen erkannt, die theoretischen Vorteile liegen auf der Hand: Da der Reifen ohne Schlauch gefahren wird, spart man Gewicht – bis zu 100 Gramm. Außerdem entsteht keine Reibung zwischen Reifen und Schlauch, wodurch sich der Rollwiderstand erheblich reduziert. Tubeless-Systeme können dadurch mit weniger Druck gefahren werden – der Komfort verbessert sich bei gleichem Rollwiderstand. Wer Pannenmilch (es gibt Fahrer, die auf die Milch verzichten) in den Reifen pumpt, hat dadurch einen zusätzlichen Pannenschutz. Kritiker wenden ein: Die Montage ist kompliziert, der Reifen verliert schnell Luft und es gibt keinen Tubeless-Standard für Laufräder.

Wenige Tage vor der Fahrradmesse Eurobike in Friedrichshafen hat Schwalbe den neuen Pro One vorgestellt. BIKE BILD konnte den Reifen bereits knapp tausend Kilometer fahren. Hier der ausführliche Fahr- und Testbericht.

Montage: Viel leichter als gedacht

Satte vier Stunden hatte ich für Montage des Reifens eingeräumt, es sollte meine erste Tubeless-Montage sein. Ein Puffer, dachte ich, könnte nicht schaden. Dichtmilch, Tubeless-Ventile und gegebenenfalls Ventilverlängerungen muss man separat ordern. Das sei erwähnt: Hierdurch entstehen weitere Kosten. Da häufig die Frage auftaucht, wie man einen Tubeless-Reifen montiert, dokumentiere ich im Folgenden meine Herangehensweise:

Zuerst zog ich den alten Reifen – ein Conti GP 4000 S II in 25 mm – von der Felge ab, entfernte auch den Schlauch. Die Testfelgen von DT Swiss waren "tubless ready", was bedeutet, dass keine weiteren Handgriffe notwendig sind, da die Felge mit luftdichtem Felgenband sauber verklebt ist. "tubeless easy" bedeutet, dass die Felge grundsätzlich tubeless-fähig ist, aber man das Felgenband selbst einkleben muss.
Anschließend nimmt man das Tubeless-Ventil, das es von Schwalbe oder auch anderen Herstellern gibt, und steckt es in die Felge. Die Mutter als Gegenstück hält das Ventil sicher im Laufrad.
Jetzt geht's an den Reifen. Für die Montage benötigte ich tatsächlich keinen Reifenheber. Die Endstücke werden einfach mit etwas Fingerspitzengefühl in die Kerbe gedrückt. Jetzt gut Luft drauf geben, damit sich der Raum zwischen Reifenmantel und Felge füllt und der Reifen in die Felge springt. Die Dichtlippe des Pro One an der Reifenwulst sorgt für eine einfache Montage.
Plopp und Peng – jetzt sitzt der Reifen auf der Felge. Anschließend wieder Luft ablassen, Ventileinsatz mit einem Ventilschlüssel rausschreiben und Dichtmilch einfüllen. Schwalbe empfiehlt 30 Milliliter, allerdings darf's auch gern etwas mehr sein, 40 Millimeter geben Sicherheit. Man sollte alle drei bis vier Monate, allerspätestens nach einem halben Jahr die Dichtmilch austauschen. Ventileinsatz wieder reinschrauben und die gewünschte Menge Luft in den Reifen geben. Fertig ist die Tubeless-Montage.
Der Reifen liegt satt auf der Straße.
Bild: Bike Bild

Tubeless-Trick 17: Spülmittel hilft

Leichte Probleme bereitete mir die Montage des Vorderreifens – warum auch immer. Der Hinterreifen flutschte nur so drauf, vorn wollte der Reifen nicht gänzlich in die Felge springen. Problem: Sitzt der Reifen nicht ordentlich, geht beim Erstpumpen die Luft wieder verloren. Mit einem Kompressor, den es von vielen Herstellern gibt, wäre es sicher gegangen – diesen hatte ich nicht zur Hand. Also stöberte ich in Mountainbike-Foren, wo ich den Tipp lesen konnte, die Felge mit etwas Spülmittel zu beschmieren, damit der Reifen besser in Kerbe rutscht. Und siehe da – es klappte.
Nach rund einer halben Stunde war ich durch mit der Montage. Die Montage des neuen Pro One verlief bis auf den Spülmittel-Work-around problemlos und absolut anfängerfreundlich. Die übrigen dreieinhalb Stunden investierte ich in eine verlängerte, erste Testfahrt mit dem neuen Reifen.

Der Schwalbe Pro One Tubeless 25 mm im Praxis-Test

Bild: Schwalbe
Zuerst fällt das geringe Gewicht des neuen Pro One auf – nur 245 Gramm bringt der Reifen in der 25-Millimeter-Variante auf die Waage. Zum Vergleich, der neue Continental 5000 Tubeless wiegt in derselben Größe 312 Gramm. Hierfür hat Schwalbe die Karkasse von Grund auf neu konstruiert, zwei Karkassenlagen sorgen jetzt unter der Lauffläche für Komfort und drei Lagen seitlich für Schutz gegen Schnitte. Neu ist nicht nur die Karkassenkonstruktion – auch die Compound-Mischung hat Schwalbe überarbeitet, um Grip, Rollwiderstand und Langlebigkeit zu verbessern. Schwalbe gibt den reduzierten Rollwiderstand mit 13 Prozent an. Tests auf dem Prüfstand werden zeigen, ob dieser Wert reproduzierbar ist.
Man sollte als Journalist mit Superlativen vorsichtig sein. Aber das erste Wort nach den ersten 50 Kilometern mit dem Schwalbe-Reifen war: wow! Denn der Reifen liegt derart satt und sicher auf der Straße, dass man glaubt, mindestens einen 28-Millimeter-Reifen zu fahren. "Souplesse" (kann mit "anschmiegsam" übersetzt werden) lautet die Kerneigenschaft des neuen Pro One in Schwalbes Marketingsprech – tatsächlich trifft die Übersetzung den Eindruck, den man vom Reifen gewinnt, recht gut. Leichte Asphalt-Unebenheiten schluckt der Reifen einfach weg – und rollt und rollt und rollt.

Mit Reifen ist es immer so eine Sache. Wir finden, dass sich viel zu häufig auf Laborwerte wie Rollwiderstand und Pannenschutz versteift wird. Nicht falsch verstehen: Das sind wichtige Reifen-Parameter. Aber einen Reifen – die Kontaktstelle zum Asphalt – kann man auch "spüren" und "erleben" und "erfahren". Ein Reifen gefällt oder gefällt nicht – und bekommt dadurch auch immer eine subjektive Komponente. Denn Komfort wird als Kenngröße gern vernachlässigt, und hier spielt der Pro One in einer eigenen Liga. Insbesondere dann, wenn man Mut zu weniger Luftdruck aufbringt. Mitnichten verliert der Reifen dadurch an Performance, stattdessen gewinnt man mit einem bar weniger noch mal deutlich an Komfort, mit dem Effekt, dass man ruhiger auf dem Rad sitzt. Auch auf Sitzbeschwerden wirkt sich der erhöhte Komfort aus: Je mehr Vibrationen der Reifen schluckt, desto weniger springt und rutscht man auf dem Sattel hin und her.

Viel Sicherheit in Kurven

Aufbau des Tubeless-Reifen Schwalbe Pro One.
Bild: Bike Bild
Neben dem Komfort überzeugt der Reifen auch in puncto Grip. Der Pneu haftet geradezu am Asphalt und gibt dauerhaft gutes Feedback. Besondere Beachtung verdient das Kurvenverhalten. Hier fühlt sich der Reifen wie geklebt an und versprüht viel Sicherheit, selbst bei aggressiver Einsteuerung. Dieses Fahrgefühl kann man "Souplesse" nennen oder umgangssprachlich einfach: verdammt gut.

Auch Gravel-Passagen macht der neue Pro One mit. Nunmehr 1.000 Kilometer hat der Testreifen hinter sich davon geschätzt 80 Prozent auf Asphalt und 20 Prozent auf Sand- und Parkwegen. Kleine Steinchen machen ihm auch nichts aus, das wurde immer wieder getestet, auch diese werden größtenteils geschluckt und überrollt. Aber klar, glatter und grober Asphalt ist der Belag, auf dem sich der neue Pro One am wohlsten fühlt. Pannen hatte er 66 Kilogramm leichte Fahrer in dieser Zeit nicht zu verzeichnen. Der Luftverlust – ein nennenswerter Kritikpunkt bei Tubeless-Reifen – hält sich in Grenzen. Nach zwei Wochen ist die Luft buchstäblich raus, der Testfahrer pumpte (wenn er fuhr) jede Woche nach. Nach zwei bis drei Tagen war kein Luftdruck-Abfall zu verzeichnen. Mehrtätige Radtouren sind auch ohne Pumpen damit denkbar.

Der Pro One ist in 25, 28 und 30 mm Breite verfügbar. Neu ist, dass als Norm eine 19 Millimeter breite Felge herangezogen wurde, nicht mehr die 17C-Felgen. Auf älteren Felgen könnte der Reifen daher sehr schmal aufbauen – Käufer sollten lieber eine Nummer breiter kaufen.
Der Trend zu breiteren Rennradreifen zeichnet sich immer deutlicher ab. So gut der neue Pro One auch performt, wir hätten uns ihn auch in 32 Millimeter gewünscht, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Reifen auf modernen Felgen eher schmal aufbaut. Mehr Kritikpunkte können wir allerdings beim besten Willen nicht finden.

Fazit nach 1.000 Test-Kilometern

Schwalbe ist ein großer Wurf mit dem neuen Pro One gelungen. Die Laufeigenschaften suchen ihresgleichen, Grip, Komfort und Geschwindigkeit liegen auf höchstem Niveau. Auch die Montage verlief beim Test-Laufradsatz von DT Swiss denkbar einfach. Wunschlos glücklich sind wir indes nicht ganz: Warum gibt es den Pro One nicht in 32 Millimeter? Hier ist Continental dem Konkurrenten noch genau eine Reifenbreite voraus. Die Tubeless-Krone geht dennoch wieder an Schwalbe. Für sportive Radler und Rennradfahrer, die vom schlauchlosen Fahren überzeugt sind oder sich auf das "Experiment Tubeless" einfach mal einlassen wollen, ist der neue Pro One eine Wunschlos-glücklich-Empfehlung.
Nach 1.000 Kilometern sieht der Reifen immer noch wie neu aus.
Bild: Bike Bild

 

Daten

Daten
25-622
700x25C
28-622
700x28C
30-622
28x1.20, 700x30C

Was sonst noch neu ist bei Schwalbe

Das Top-Modell Pro One gibt es neben der Tubeless-Ausführung auch als Faltreifen (59,90 Euro) und als Pro One TT (69,90 Euro) für Triathleten. Daneben bekommt der Allround-Reifen Schwalbe One ein Update auf Basis des Pro One und wird Tubeless (54,90 Euro) und als Faltreifen (39,90 Euro) erhältlich sein.
Weitere Infos auf www.schwalbe.com.