Was braucht es, um auf dem Rennrad glücklich zu sein? Eine elektronische Schaltung, die per Fingertippen den Gangwechsel vollzieht? Hochprofillaufräder, mit denen man fast im Wind segelt? Ein nahtloser Übergang vom Lenker zum Vorbau? Ein Gewicht von unter acht Kilogramm?
Diese Denkweise ist weitverbreitet, auch der Autor dieser Zeilen, der selbst drei Carbonflitzer in Keller und Wohnzimmer parkt, ist ihr zulasten seines Geldbeutels anheimgefallen. Auch Redakteure können jedoch dazulernen. Und das ist während dieses Tests geschehen. Zuzuschreiben ist dieser Lernprozess den getesteten Bikes, die alle echte Preis-Leistungs-Renner sind. Derart viel Rennrad für so wenig Geld gibt es in keiner anderen Preisklasse.
Somit lässt sich auch das insgesamt gute Abschneiden erklären: Zwei Räder radeln zum „Sehr gut“, die übrigen schneiden mit „Gut“ ab. Vorläufiges Fazit: Kein Hersteller will sich ein schwaches Rad im Preissegment von bis zu 999 Euro leisten.

Einsteigerräder zum Durchstarten

Der wohl am häufigsten gesprochene Satz beim Erstkauf lautet: „Ich will gucken, ob das Rennradfahren überhaupt was für mich ist.“ Wer sich informiert und im Internet recherchiert, landet schnell bei Rädern unterhalb der 1000-Euro-Grenze. Dreistellig ist eben ein gutes Kaufargument. Beim Erstkontakt müssen Hersteller punkten und Räder anbieten, über die man sich keine Gedanken machen muss, die zuverlässig ihre Arbeit verrichten, die Spaß auf mehr machen, die aber auch knapp kalkuliert sind.
Carbonboliden bringen das Quäntchen Performance, das Zeitenjäger suchen und gute Rennradfahrer noch ein bisschen besser macht. Carbon kostet aber auch fast das Doppelte, Scheibenbremsen on top gibt es ab 2500 Euro, und mit einer elektronischen Schaltung und Carbonlaufrädern summiert sich das Bike ruck, zuck auf vier- oder fünftausend Euro.
Kann man machen, muss man aber nicht. Auch die Entwicklung im Einsteigersegment steht nicht still: Carbon-Anbauteile wie Gabel und Sattelstütze verbessern den Komfort. Und bei sechs von acht Testrädern sind die Züge mittlerweile innen verlegt. Manche Alu-Rahmen, etwa der des Rose, sind sogar derart gut gearbeitet, dass sie der Carbonvariante zum Verwechseln ähnlich sehen.
Top-Performance: Der Fahrspaß kommt bei allen getesteten Modellen nicht zu kurz.
Bild: Michael Strokosch
Von der Entwicklung im Rennradmarkt profitieren vor allem Einsteiger. Die teuren Rennräder werden immer kostspieliger und die günstigen immer besser. Das hat damit zu tun, dass sich die Hersteller ihre hochpreisigen Räder besser bezahlen lassen, weil in diesen Rädern das Know-how, die Entwicklungsarbeit und -kosten stecken. Das gilt ebenso für die Schaltgruppen. Somit wird klar, ein Einsteiger-Rennrad ist fast immer eine gute Wahl.

So haben die Einsteiger-Rennräder abgeschnitten

Überraschend gut: So viel Rennrad fürs Geld gibt's in keinem anderen Preissegment. Größere Unterschiede ergeben sich erst beim Fahrverhalten.

Unterschiede stecken im Detail

Alle unsere Testbikes sind mit einem Alu-Rahmen in Kombination mit Carbongabeln ausgestattet. Dennoch unterscheidet sich das Gesamtgewicht deutlich. Nur die Versender-Bikes von Canyon und Rose springen unter die Neun-Kilogramm-Marke.
Ein Blick auf die Schaltungen zeigt, dass Shimano die Einsteigerklasse dominiert. Campagnolo und Sram sucht man vergebens. Preisstruktur und Preiskampf sind die Gründe. Die Einsteigerräder kommen vielfach mit Tiagra, teilweise mit 105er oder einer Mischung aus beiden Gruppen aus. Kenner mögen einwenden: Noch vor wenigen Jahren waren die 1000-Euro-Räder doch überwiegend mit 105er ausgestattet? Korrekt, aber früher war die 105er auch lange nicht so gut wie heute.
Gerade in der aktuellen Version R7000 ist die Gruppe noch mal um einiges besser geworden und steht – Gewicht ausgenommen – der ranghöheren Ultegra nicht nach. Großer Pluspunkt der 105er gegenüber der Tiagra ist, dass man feinstufiger schalten kann, eben 11- statt 10-fach. Auch stechen die gelungenen Brems- und Schaltgriffe der 105er heraus.

Kompaktkurbeln (50/34 Zähne) sind bei allen Testrädern verbaut. Unterschiede gibt es aber bei den Kassetten. Das 34er-Ritzel ist zweifelsohne das Mittel der Wahl bei Rennradeinsteigern und gegenüber dem 32er vorzuziehen. Im Zusammenspiel mit einer Kompaktkurbel dürften anspruchsvolle Anstiege und Berge so kein großes Thema sein.
Modernes Design: die 105er-Kurbel von Shimano.
Bild: Michael Strokosch
Reifen sind immer noch ein unterschätzter Faktor. Während noch vor wenigen Jahren durchweg auf schmalen 23-Millimeter-Pneus gefahren wurde, haben sich 25 Millimeter als neue Standardbreite durchgesetzt. Einige Hersteller schicken sogar 28-Millimeter-Reifen ins Testrennen – gut so! Die breiteren Reifen bieten nicht nur einen besseren Rollwiderstand, sie rollen auch spürbar komfortabler.

Alle Rennräder unter 1.000 Euro im Einzeltest

Es kommt auf den Charakter an

Ein wichtiger Kaufgrund, der beim Abgleich von Preis und Ausstattung vernachlässigt oder vergessen wird, ist das Fahrverhalten. Die beste Ausstattung nützt nichts, wenn man sich auf dem Rad nicht wohlfühlt. Tatsächlich fahren sich die Renner überraschend unterschiedlich. Unsere detaillierten Fahreindrücke entnehmen Sie den Testbriefen auf den folgenden Seiten.
Unser Rat: Fahren Sie die Bikes, die für Sie infrage kommen, Probe. Ob Sie beim Versender bestellen oder sich im Fachhandel beraten lassen, bleibt natürlich Ihnen überlassen. In der Preis-Leistungs-Wertung sind die Versender schwer zu schlagen, beim Service wiederum punkten die über Radhändler vertriebenen Räder. Wie Sie sich auch entscheiden: Die Rennradwelt steht Ihnen offen. Was es dann noch braucht? Die wärmende Sonne im Rücken, butterweichen Asphalt auf freier Straße, bestenfalls zweistellige Temperaturen und natürlich eine sympathische Begleitung.
Hätten Sie gedacht, dass jedes dieser Rennräder für unter 1.000 Euro zu haben ist? Die Verarbeitung ist trotz Einsteigerpreis auf hohem Niveau.
Bild: Michael Strokosch

So hat BIKE BILD die Einsteiger-Rennräder getestet

Nach einer ausführlichen Inspektion der Rennräder – beginnend bei der Begutachtung der Rahmenverarbeitung – haben wir die Schaltkomponenten im Rahmen der Ausstattungsbewertung unter die Lupe genommen. Denn je besser und leichtgängiger die Schaltung arbeitet, desto mehr Fahrspaß generiert das Rad – so einfach ist die Rechnung beim Rennrad.
Für die im Testfeld ranghöchste Gruppe, Shimanos 105er, haben wir einen Punkt mehr vergeben als für die Tiagra oder vergleichbare Komponenten. Einen weiteren Punkt konnte das Rad einfahren, das entweder mechanische Scheibenbremsen (Cube) verbaut hatte oder auf einem Tubeless-Reifen (Giant) rollte. Innovationen – sofern sich diese im Praxistest als sinnvoll erwiesen – haben wir belohnt. Für einen 28 Millimeter breiten Reifen haben wir einen weiteren Zusatzpunkt vergeben, weil wir der Meinung sind, dass bei Einsteigerrädern der Komfort überaus wichtig ist.
Wie verhält sich das Rad bei Highspeed und in Kurven?
Bild: Michael Strokosch
Ebenfalls mit einem Stern mehr bewerteten wir Räder, die mit einem 34er-Ritzel ausgestattet waren. Eine größere Übersetzung bringt mehr Luft am Berg – gerade für Einsteiger, die noch nicht die nötige Kraft mitbringen, können zwei Ritzelzähne mehr ein entscheidender Faktor sein. Design und Fahrspaß hat eine vierköpfige Jury mit einschlägiger Rennraderfahrung beurteilt.
Die Testfahrten fanden sowohl auf gut als auch auf weniger gut asphaltierten Straßen statt, weil wir davon ausgehen, dass der Großteil der Rennradfahrer auf Asphalt radeln wird. Kopfsteinpflaster und Gravelabschnitte mussten herhalten, um etwaige Eindrücke zu festigen oder neu zu bewerten. Antritts- und Fahrverhalten, Roll- und Bremseigenschaften sowie sonstige Eindrücke wurden gemeinsam diskutiert und sind in das Bewertungskriterium Fahrspaß eingeflossen.